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AutorenbildYvonne Beerenbrock

Thema des Monats: Empowerment

In 2021 haben unsere Teilnehmer:innen Absichten, Fragen und Bedürfnisse genannt, die wir für das Jahr 2022 in unserem Blog und in unseren Yogastunden umsetzen wollen. Aus diesen Vorsätzen haben wir 12 Themen entwickelt, die unsere Yogaschule im Jahr 2022 leiten sollen.


Das Thema dieses Monats ist: Empowerment.



Empowerment. Was für ein Wort. Das englische Wort Power lässt sich mit Kraft, Energie aber auch mit Macht übersetzen. Das Wort Macht ist in unseren Kreisen eher negativ konotiert, denn Macht hat man über andere und suggeriert insofern eine versteckte, ja gar dunkle manipulative Kraft. Somit würde Empowerment ja wortwörtlich „Selbstermächtigung“ heissen.

Das erinnert mich an Konfuzius, der sagte:

Wer andere besiegt, ist stark,

wer sich selbst besiegt, ist mächtig.


Dieser Spruch hat mir schon immer gefallen und Konfuzius hat damit auf seine daoistsiche Art und Weise unseren modernen Begriff Empowerment sehr weise erklärt. Hierzulande wird Empowerment inflationär in allerlei Coaching-Seminaren und -techniken gebraucht, genutzt und gepriesen. Doch was heisst das eigentlich genau? Ich goggel das mal (würde meine Schwiegermutter jetzt sagen).Ein schneller Blick auf wikipedia zeigt, dass man Empowerment „für einen erreichten Zustand von Selbstverantwortung und Selbstbestimmung verwendet; in diesem Sinn wird im Deutschen Empowerment gelegentlich auch als Selbstkompetenz bezeichnet.“ Selbstkompetenz….wenn ich beginne, dieses Wort zu zerlegen, d.h. Kompetenz (competentia = Eignung) über das Selbst (Welches Selbst eigentlich? Meines? Deines?).


Wofür eignet sich so ein Selbst? Und wer kann das messen?


Als Tierfreund zäume ich das berühmte Pferd nun…von der Seite auf:-)


In der modernen Welt, in der (fast) alles vom Menschen gemacht oder "vom Menschen erobert" werden kann, sind wir verwirrt und haben angefangen zu glauben, dass wir die gleiche Fähigkeit haben, das Leben ins kleinste zu bestimmen und zu lenken. Wir glauben, dass wir unser Leben nach unseren Wünschen und Erwartungen gestalten können nach dem, wonach wir uns sehnen und dem, wovor wir zurückweichen.


Ich selbst bin schon ein ziemlich verrückter Typ, doch trotz aller Hindernisse habe ich in meinem Leben nie die Kraft oder Lebensfreude verloren. Natürlich bin ich auch mal knötterig oder habe den berühmten „Bad-Hair-and-all-is-bad“-Day, doch ich kenne mir sehr liebe und vertraute Menschen, die eine Phase in ihrem Leben durchmachten, in der sie das Gefühl hatten, den Kontakt zu ihrer Kraft und Lebensfreude komplett verloren zu haben. Sie fühlten sich körperlich erschöpft und von allen Gefühlen abgeschnitten, unfähig, einen Kontakt zu Ihrer Intuition zu finden und zu wissen, was sie tun sollten. Sie fühlten sich entmutigt und hilflos.


Aufgrund dieser Entkopplung von sich selbst und dieses Gefühls des Ungleichgewichts sind sie plötzlich auf der Suche nach Mut und Stärke, nach Selbstbestimmung, nach Grenzen, nach Zeit für sich selbst - die Liste ließe sich ewig fortsetzen. Sie scheinen wie ein Pendel, das nun zu einer anderen Seite ausschwingt, um alles zuvor Dagewesene abschütteln zu wollen. Dabei fiel mir immer wieder auf, dass sie von diesen Dingen, nach denen sie sich sehnten, erzählten, als wären diese Dinge irgendwo da draußen in der Welt und weit weg von ihnen selbst.

Nun gut, auch ich weiss nicht immer, was das Richtige ist und manchmal bin ich mir auch sehr unsicher, was ich als nächstes tun soll. Wenn ich es nicht weiss, tu ich erstmal nichts, denn Entscheidungen, die nicht klar sind, sollte man nicht umsetzen. Aggressives Abwarten - so nannten wir es auf der Intensivstation und es hat vielen Patienten gut getan, dass nichts getan wurde. Ich kann also sehr gut warten. Und: Ich gebe nie auf und weiss, es gibt immer eine Lösung, egal wie tief ich in meinem Leben schon im Sumpf stand oder schon untergegangen war. Unabhängig davon, wie unscharf die Lösung noch ist, ich fühle, sie ist schon in mir und wartet von mir achtsam in diese Welt geboren zu werden. Ja, manche Entscheidungen sind wie eine Schwangerschaft - und man isst auch fast genau so viel dabei:-). Doch um eine Entscheidung dann final umzusetzen, braucht es Mut.


Alfred Adler, ein berühmter Psychologe des 20. Jahrhunderts, würde Empowerment die Ermutigung des Menschen zu einem aufrechten Gang nennen; zur Ermutigung der Wahrnehmung des eigenen Selbst und der Integration dieses erkannten Selbst in die Gemeinschaft.


Wer war ich? Wer würde ich bleiben, wenn alles andere wegfiele und ich unverhüllt, nackt und unverschleiert auftauchen würde? Solche Fragen stellen wir alle uns gerne, wenn wir unsere Krisen haben. Viele Menschen, die mich zum ersten Mal sehen, denken, dass ich es einfach gehabt haben müsste, weil ich so strahlend sei. Doch das ist nicht so. Mein ganzes Leben ist Verlust. Ich werde hier nicht meine Geschichte erzählen, denn es geht hier nicht um mich, doch ich habe eine Geschichte. Mein Leben verlangte von mir, anders zu denken. Welch Wohltat Verlust sein kann, erkannte ich, als ich für einige Zeit in die Wüste ging. Ich hatte fast nichts dabei: nur einen Rucksack (einen kleinen Rucksack) für mehrere Wochen. Mit wenig Gepäck reisen, das was so leicht (und selbst damit noch anstrengend in der Sahara). Was wäre, wenn alles, was ich anstrebe, tatsächlich in meinem eigenen Körper liegt, in der Kostbarkeit eines jeden Atems und in der bedingungslosen Fähigkeit meines eigenen menschlichen Geistes? ...Wer sich selbst besiegt, ist mächtig...das verstand ich in der Weite der Sahara, in der Freundschaft zu einem Skarabäus und der liquiden Schönheit des Ozeans aus Sand.


Was hat mich der Verlust in meinem Leben gelehrt? Vertrauen. Dem Leben zu vertrauen, dass die Fülle zurückkommen wird, denn ich kann nur verlieren, was ich habe. Ich habe mich irgendwann dazu entschieden, nicht mehr die Dinge zu verlieren, sondern sie freizulassen. Das ist mir in einem Hospizlehrgang widerfahren. Im Rahmen des Lehrgangs sollten wir Teilnehmer:innen eine uns sehr wichtige Person, eine Sache, die wir unbedingt noch erledigen möchten, einen Wunsch und einen wichtigen Gegenstand auf (Stellvertreter)Karten schreiben. Und dann sollten wir uns überlegen, was wir davon abgeben wollten. Freiwillig. Und ich habe alles abgegeben, weil mir in diesem Moment klar wurde (und das habe ich wirklich ganz tief erfahren), dass ich alles eines Tages eh nicht mehr haben werde - mich eingeschlossen. Heureka! Das war ein so wunderbares Gefühl. Die Gänsehaut dieser Erkenntnis von damals ereilt mich beim Schreiben dieses Textes erneut.


Und mir war klar, dass es jeden Augenblick so ist und wir einfach nur eines tun können: vertrauen. Indem ich dem Leben vertraue und alles loslasse (so wie die Karten), was ich zu haben glaube, kommt meine wahre Kraft und innere Stärke zum Vorschein. Dieser Mut richtet auf. Ja, ermutigt mich zum aufrechten Gang.


Wahre Selbstbestimmung

Wahre Selbstbestimmung beginnt damit, dass wir uns bewusst werden, wie wir durch unser tägliches Leben navigieren. Es geht nicht darum, große Taten oder Leistungen zu vollbringen. Es geht darum zu erkennen, wer man ist und wozu man fähig ist und seine Fähigkeiten liebevoll anzuerkennen. Dazu muss man keinen Handstand können, kein Professor sein oder Astronaut. Doch es gibt Menschen, die sind Professor, sind Astronaut und können Handstand. Und es gibt so viel mehr Menschen...die liebenden, die alten, die lächelnden, die blumigen, die fleißigen...Es geht darum, kohärent zu sein, d.h. alles schmiegt sich wunderbar ineinander: meine Wünsche, mein Beruf, mein Privatleben, meine Hobbies. Ich habe 20 Jahre gebraucht, um herauszufinden, dass ich für mein Leben gerne Lehrerin bin und wieviel Spaß mir das einfach macht. Ich bin auch sehr gerne Intensivschwester gewesen und habe die Menschen begleitet. Das passt zu mir und bringt mich in meinen größeren Zusammenhang. Ja, ich kann mit Bestimmtheit schreiben (und sagen), dass meine Bestimmung ist, andere auf ihren Weg ins Glück zu begleiten. Egal, ob es ein Weg ist der beginnt (wie bei meinen Schülerinnen und Schülern), erneut beginnt (wie bei meinen Patient:innen) oder ein Weg ist, der endet und woanders neu beginnt (wie bei den Gäst:innen im Hospiz).


Es geht darum, wahrhaftig zu sein. Und das erfordert oftmals großen Mut. Es fordert, dass wir unsere Angst vor Ablehnung überwinden, wenn wir Dinge in unseren großen Zusammenhang, in unsere Bestimmung setzen, so dass wir wieder ein Ganzes, ein großes Zusammenhängendes, werden. Und genau das, das dürfen wir üben. Wir sind umgeben von Botschaften aus unserer Kultur, unseren sozialen Kreisen, unserer Familie, den Medien und sogar von unserem eigenen Verstand, die uns auf Abwege führen oder von unserer Bestimmung entfernen können. Durch Umwege lernt man jedoch die Umgebung unseres Zieles besser kennen. Allein das zu erkennen, ist bereits ein überaus wichtiger und mutiger Schritt.


In dem Moment, in dem wir die Energien unseres Selbst, des Augenblicks und unseres Geistes koordinieren und ins Gleichgewicht bringen, verkörpern wir unsere größte Stärke, das, was unverrückbar und unerschütterlich ist. Das Zentrum unseres wahren Wesens wird völlig mühelos erstrahlen, wenn wir in der Lage sind, von diesem Ort aus zu handeln, zu beobachten, zu sprechen und zu leben. Hier werden wir ermutigt, aufgerichtet durch die grenzenlose Kraft, die still in uns ruht.


Sich an die Kraft der Natur erinnern


Erinnern Sie sich daran, was Sie fühlen, wenn Sie die Unbegrenztheit des Ozeans oder das Erhabene eines Gebirges sehen, oder vielleicht nur einen kleinen täglichen Moment in der Natur erfahren, der mit Ihnen in Resonanz geht wie das Zwitschern einer Amsel oder der Sonnenaufgang. Stellen Sie es sich vor und spüren Sie es einen Moment lang. Dieser Moment der Stille und Ehrfurcht ist die Manifestation der Kohärenz zwischen dem Körper, der Energie des Augenblicks und der Gegenwart der Natur. Dies ist auch in uns. Wir haben dieses Potenzial, denn das ist auch unsere Kraft.


Indem wir Yoga und Achtsamkeit üben, können wir dieses Potenzial freilegen. Viele Yogalehrer, die ich kenne, sagen immer, dass man dies für sich selbst tut. Und ich muss zugeben, dass der Yoga aufgrund der singulären Betrachtung der Befreiung der eigenen Seele doch sehr selbstbezogen in diesem Punkt ist. Doch es gibt Yogaübende, die verstanden haben, dass wir Yoga und Achtsamkeit immer für alle üben und verwirklichen. Denn wenn wir uns selbst bestimmen können und mutig sind, dann können wir auch mutig für andere sein. Es zeigt sich aus der Übung eben jene Kraft und jener Mut des Lebens, die wir in all unsere Gedanken und Taten legen, die wir jeden Tag ausführen.



Praktizieren Sie jeden Tag kleine Taten des Empowerments


Verbinden Sie sich regelmäßig mit Ihrem Körper, Ihrem Atem und Ihrem Geist:


Führen Sie Ihre Hände zu Ihrem Unterbauch, lenken Sie Ihr Bewusstsein dorthin und machen Sie es weich. Leiten Sie Ihren Atem in den Bereich des Unterbauches und spüren Sie ihn. Verweilen Sie 5 Atemzüge lang.

Bringen Sie Ihre Hände zu den unteren Rippen, lenken Sie Ihr Gewahrsein dorthin und machen Sie den Bereich weich. Leiten Sie Ihren Atem zu den unteren Rippen und spüre ihn. Verweilen Sie 5 Atemzüge lang.

Bringen Sie Ihre Hände zur oberen Brust, lenken Sie Ihr Gewahrsein dorthin und entspannen Sie die Schultern. Leiten Sie Ihren Atem in diesen Bereich und spüren Sie ihn. Bleiben Sie hier 5 Atemzüge lang.


Und dann beginnen Sie dies auch in Situationen des Alltags zu machen: im Stau auf der Autobahn, in der Schlange an der Kasse, beim Spazieren gehen. Un die mehr sie dies üben, umso vertrauter wird es für sie. Irgendwann üben Sie diese Atemachtsamkeit in einem Gespräch, während sie zuhören, während Sie etwas essen, während Sie lesen… und irgendwann können Sie dies auch in schwierigen Situationen und Sie werden feststellen, dass Sie diese achtsamer und mit Anmut meistern werden.

Denn dann sind Sie fortwährend in Ihrer eigenen Kraft, die Sie mutig sein lässt, das für Sie jetzt Richtige zu tun. Erkennen Sie anschliessend, dass es nicht richtig war, werden Sie das Richtige daraus lernen. Die rechte Erkenntnis aus all unseren Handlung ist eben jene Entdeckung des Vertrauens in sich selbst, in das Leben, in den Moment - ganz gleich wie er sein wird - das ist es, was aus der Achtsamkeit entspringt. Nichts ist so wertvoll. Das können Sie nicht verlieren, denn es war, ist und bleibt für immer.


Also, was ist Ihre Bestimmung?


Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei, eben dies in sich zu entdecken.



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